Die DIN EN 12464-1 ist eine europäische Norm zur Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen, die als anerkannte Regel der Technik gilt. Diese Regelung entsteht durch intensive Facharbeit von Experten auf europäischer Ebene und bildet die Vereinbarungsgrundlage zwischen Vertragspartnern bei der Planung von Innenbeleuchtungen.
Die Norm ist kein Gesetz, sondern wird nur dann rechtlich verbindlich, wenn sie zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als Vertragsgrundlage festgelegt wird. Sie stellt einen gut ausdiskutierten und austarierten Fachkonsens dar, der über Jahre hinweg Bestand hat.
In Deutschland existiert parallel die Arbeitsstättenverordnung mit ihren Arbeitsstätten-Regeln (ASR), die für Arbeitgeber gesetzlich bindend ist. Diese ähnelt der Norm, ist jedoch nicht identisch, da staatliche Verordnungen eigene Wege gehen. Für Planer hingegen ist die DIN EN 12464-1 als anerkannte Regel der Technik relevant.
Normungsarbeit und internationale Zusammenarbeit
Die Entstehung der Beleuchtungsnormen erfolgt auf drei Ebenen: national beim Deutschen Institut für Normung (DIN), europäisch bei der Europäischen Normung (CEN) und global bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO). Parallel arbeitet die Internationale Beleuchtungskommission (CIE) mit ISO zusammen an der weltweiten Beleuchtungsnormung.
Nationale Experten arbeiten in internationalen Gremien als Vertreter ihrer Herkunftsländer. Diese Fachleute werden von verschiedenen entsendenden Stellen delegiert: Staat, Architektenverbände, Lichtplaner, Behörden oder die Industrie. Die Beleuchtungsindustrie entsendet über den ZVEI eigene Experten in diese paritätisch zusammengesetzten Normungsgremien.
Die Working Group 2 „Lighting for workplaces“ behandelt speziell Innenbeleuchtungsnormen und arbeitet sowohl auf europäischer CEN-Ebene als auch in der parallelen ISO Joint Working Group 5 an einer globalen Norm. Nach Fertigstellung wandern europäische Normen zurück in die nationale Normung und werden als DIN EN-Normen veröffentlicht.
Die Überarbeitung von 2021: Was hat sich geändert?
Die Überarbeitung der EN 12464-1 nahm sechs Jahre in Anspruch und wurde Ende 2021 in neuer Fassung veröffentlicht. Das internationale Expertengremium hat die Norm lesbarer und anwendbarer gestaltet, ohne die grundlegenden Inhalte oder Werte drastisch zu verändern.
Die wichtigste Neuerung ist die Erweiterung der Normtabelle von vier auf acht Spalten. Diese enthält nun alle wesentlichen Planungsparameter auf einen Blick und macht die praktische Anwendung deutlich übersichtlicher.
Entscheidend ist die Botschaft: Das Erfüllen der Norm bedeutet weit mehr als die oberflächliche Angabe von „500 Lux und UGR 19“. Eine wirklich normgerechte Beleuchtungsplanung berücksichtigt alle Kriterien umfassend und führt zu deutlich besseren Ergebnissen für die Menschen in den Arbeitsräumen.
Das Konzept der Sehaufgabe
Der Grundsatz der Norm lautet: Beleuchtet wird die Sehaufgabe – also die konkrete Tätigkeit, die Menschen bei ihrer Arbeit ausführen müssen. Diese Herangehensweise ist sinnvoll, da verschiedene Arbeiten unterschiedliche Beleuchtungsanforderungen stellen.
Die entsprechenden Sehaufgaben sind tabellarisch aufgeführt mit den dazugehörigen Werten für Beleuchtungsstärke, Gleichmäßigkeit auf der Sehaufgabe, Farbwiedergabe und Blendungsbegrenzung. Ein Mitarbeiter, der liest, hat andere Anforderungen als jemand, der zeichnet oder in der Werkstatt Farbkontrollen durchführt.
Mehrere Sehaufgaben können in einem Raum spezifisch geplant werden. Dabei besteht die Möglichkeit, höhere Wartungswerte festzulegen, wenn dies für bestimmte Tätigkeiten erforderlich ist. Die unmittelbare Umgebung um die Sehaufgabe wird entsprechend der jeweiligen Anforderungen geplant.
Raumbeleuchtung und Oberflächenhelligkeit
Die beleuchtete Sehaufgabe findet normalerweise in einem Raum statt, der separat zur Sehaufgabe geplant werden kann. Der Raum mit seinen Oberflächen muss nur einmal beleuchtet werden, auch wenn mehrere verschiedene Sehaufgaben darin stattfinden.
Daher enthält die Norm einen zweiten Teil mit zylindrischen Beleuchtungsstärken für die Raumfläche sowie Wand- und Deckenbeleuchtungsstärken. Diese Raumhelligkeit ist besonders wichtig für Wohlbefinden und Motivation der Menschen – beispielsweise in Schulen, Krankenhäusern und Bürobereichen.
Planende haben verschiedene technische Möglichkeiten zur Umsetzung: direkt-indirekte Beleuchtung oder getrennte Beleuchtungssysteme für direkten und indirekten Anteil. Bei der Auswahl von Beleuchtungslösungen mit Lichtleisten, wie hier können beide Ansätze realisiert werden.
Bei dunklen Decken entstehen Herausforderungen, da sich diese auch durch hohe Beleuchtungsstärken nicht hell gestalten lassen. In Industriehallen sind hohe Wandbeleuchtungsstärken nur in den Bereichen erforderlich, die im Gesichtsfeld der Arbeitenden liegen – nicht in oberen Raumbereichen oder über Kranbahnen.
Wartungswerte und modifizierte Beleuchtungsstärken
Die neue Normtabelle zeigt neben dem erforderlichen Wartungswert auch einen modifizierten Wartungswert der Beleuchtungsstärke. Diese Darstellung war bereits in der alten Norm möglich, ist nun aber sichtbarer untergebracht.
Der ursprüngliche Wartungswert wurde fälschlicherweise oft als Zielwert für die Beleuchtung verstanden. Die Norm sah jedoch schon immer vor, dass es sinnvoll sein kann, die Beleuchtungsstärke zu erhöhen – beispielsweise von 500 Lux auf 750 oder 1000 Lux.
Gründe für höhere Beleuchtungsstärken sind schlechtere Sehfähigkeiten (Brille, Alter), Produktivitätsanforderungen oder sehr sorgfältig zu erfüllende Sehaufgaben. Wichtig ist auch die langfristige sichere Arbeitsausführung über Jahre hinweg.
Der modifizierte Wert muss nicht geplant werden, aber Planende sehen sofort, dass höhere Beleuchtungsstärken möglich und kein Fehler sind. Gleichzeitig schreibt die Norm explizit vor, dass Dimmbarkeit durch Lichtmanagementsysteme möglich sein sollte, um Energie zu sparen, wenn die höheren Werte nicht benötigt werden.
Lichtsteuerung und Planungsprozess
In der Praxis finden sich häufig problematische Bediengeräte für Beleuchtungsanlagen: kleine Knöpfe ohne Beschriftung, bei denen Nutzer eigene Zettel an die Wand kleben müssen, oder Drehknöpfe, bei denen durch Ausprobieren ermittelt werden muss, welcher Anlagenteil gerade gesteuert wird.
Lichtsteuerung muss bereits im frühen Konzept der Beleuchtungsanlage überlegt werden. Für einen Besprechungsraum können verschiedene Lichtszenen sinnvoll sein: konzentrierte Besprechung, Präsentation an der Leinwand oder Diskussionsrunden mit unterschiedlichen Lichtstimmungen.
Das Problem entsteht bei der Inbetriebnahme: Ohne Kenntnis der ursprünglichen Planungsidee werden die Bedienelemente oft nur oberflächlich beschriftet („Downlights an“, „dicke Lampe an“). Die eigentlich geplanten Lichtstimmungen gehen verloren.
Der gesamte Planungsprozess von der Projektidee bis zur Inbetriebnahme muss durchgehend dokumentiert werden. Die frühen Planungsergebnisse und Festlegungen müssen bis zur finalen Beschriftung der Bediengeräte verfügbar bleiben, damit die ursprünglichen Planungsideen auch umgesetzt werden.
Tageslicht und Energieeffizienz
Tageslicht ist immer ein wesentlicher Teil der Beleuchtung von Sehaufgaben. Die Norm formuliert im Vorwort ausdrücklich, dass Sehaufgaben durch Tageslicht, künstliches Licht oder eine Kombination von beidem beleuchtet werden können.
Bei ausreichend verfügbarem Tageslicht soll künstliches Licht zurückgenommen oder gedimmt werden. Tageslicht kann durchaus allein die Sehaufgaben beleuchten, aber für die Planung muss davon ausgegangen werden, dass auch ohne Tageslicht die künstliche Beleuchtung korrekt funktioniert.
Die künstliche Beleuchtung muss ohne Tageslicht funktionieren, aber sie muss nicht immer verwendet werden. Moderne Lichtmanagementsysteme können automatisch erkennen, wann genügend natürliches Licht vorhanden ist, und die künstliche Beleuchtung entsprechend anpassen.
Verhältnis zur Arbeitsstättenrichtlinie (ASR)
In Deutschland existiert die besondere Situation, dass zwei verschiedene Regelwerke parallel gelten: die Arbeitsstätten-Regel (ASR) als gesetzliche Vorgabe für Arbeitgeber und die DIN EN 12464-1 als anerkannte Regel der Technik für die Planung.
Zwischen beiden Regelwerken bestehen teilweise unterschiedliche Anforderungen bei Beleuchtungsstärken oder Gleichmäßigkeitsanforderungen. Die ASR ist gesetzlich verbindlich, während die Norm die Vereinbarungsgrundlage zwischen Planer und Auftraggeber darstellt.
Planende sollten sich so verhalten, dass beide Regelwerke erfüllt werden und im Zweifel die strengere Anforderung beachtet wird. Dies ist der sicherste Weg, um sowohl die rechtlichen Vorgaben als auch die technischen Standards zu erfüllen.
Praktische Umsetzung und Planungsqualität
Gute Beleuchtungsplanung ist normgerecht – aber normgerecht bedeutet umfassende Planung mit allen Kriterien. Die Norm gibt explizite Hinweise darauf, dass Einstellbarkeit der Beleuchtung, Wartungsfaktoren, Energieeffizienz und Tageslichtnutzung zu beachten sind.
Eine qualitätsvolle Beleuchtungsanlage berücksichtigt alle Sehaufgaben und alle Mitarbeiter sowie die Raumwirkung. Dies erfordert deutlich mehr als die oberflächliche Angabe von Beleuchtungsstärke und Blendungsbegrenzung.
Planende haben heute viele gute Argumente für Gespräche mit Auftraggebern über hochwertige Beleuchtungsanlagen. Wer eine Beleuchtungsanlage nach allen Normkriterien planen lässt, erhält ein deutlich besseres Endprodukt für die Menschen, die in den Räumen arbeiten sollen.
Die bewusste Anwendung der Norm führt zu wesentlich besseren Ergebnissen für die Nutzer und schafft Arbeitsplätze, die langfristig Wohlbefinden, Produktivität und Sicherheit fördern.