Digitale Handelsplattformen für Geschäftskunden (B2B-Marktplätze) gewinnen zunehmend an Bedeutung. Prognosen gehen davon aus, dass sie bis 2024 rund ein Drittel aller Online-Verkäufe zwischen Unternehmen ausmachen werden. Das zu erwartende Handelsvolumen, auch Gross Merchandise Value (GMV) genannt, wird sich dabei auf 3,6 Milliarden US-Dollar belaufen. Verglichen mit den Zahlen aus dem Jahr 2018 entspricht dies einer Wachstumskurve von über 400 Prozent. Diese Entwicklung verdeutlicht einen grundlegenden Wandel im Einkaufsverhalten von professionellen Käufern. Sie bevorzugen zunehmend digitale Beschaffungswege über spezialisierte Plattformen, die den direkten Austausch zwischen Anbietern und Abnehmern ermöglichen.
Typologien von B2B-Marktplätzen
B2B-Marktplätze lassen sich in vier grundlegende Modelle unterteilen. Die zusätzliche Katalog-Erweiterung ermöglicht es Unternehmen, ihr Sortiment durch Anbieter zu vergrößern, ohne eigene Lagerbestände aufzubauen. Dies schafft einen digitalen One-Stop-Shop für Geschäftskunden.
Beim Ausbau digitaler Vertriebskanäle nutzen besonders stationäre Händler die Chance, ihre Produkte online anzubieten. Diese Strategie erschließt neue Kundengruppen ohne aufwendige Infrastruktur.
Die Transformation bestehender Geschäftsmodelle basiert darauf, das eigene Netzwerk aus Lieferanten und Abnehmern auf einer digitalen Plattform zusammenzubringen. So profitieren Unternehmen auch von indirekten Geschäftsbeziehungen.
Als vierte Variante ermöglicht das E-Procurement eine vereinfachte Beschaffung von Verbrauchsmaterialien und Kleinteilen innerhalb von Organisationen. Die benutzerfreundliche Oberfläche ähnelt B2C-Shops und enthält komplexe ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) bei Standardbestellungen.
Rechtliche und regulatorische Anforderungen
Der Betrieb eines Online Marktplatz unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben. Für die Abwicklung von Zahlungen im Namen Dritter benötigen Sie eine spezielle Lizenzierung nach der europäischen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2). Hierfür bieten sich drei Optionen: die eigene Lizenzierung, die Zusammenarbeit mit einem lizenzierten Zahlungsdienstleister oder eine vorübergehende Ausnahmeregelung für kleineres Handelsvolumen.
Die Identifizierung und Überprüfung der Handelspartner (Know Your Customer/Know Your Business) sowie Maßnahmen gegen Geldwäsche sind begründet. Dazu gehört die systematische Prüfung von Geschäftsunterlagen und die kontinuierliche Überwachung von Transaktionen.
Als Marktplatzbetreiber müssen Sie rechtskonforme Allgemeine Geschäftsbedingungen sowohl für Käufer als auch für Verkäufer bereitstellen. Diese Regeln unter anderem die Bestimmungsmodelle und Haftungsfragen. Besondere Aufmerksamkeit erfordern die neuen EU-Mehrwertsteuerregeln, die Marktplätze in bestimmten Fällen zur Steuererhebung begründen.
Technische Umsetzung
Die technische Umsetzung eines B2B-Marktplatzes erfordert die Integration verschiedener Systemkomponenten. Zentral ist die Anbindung von Zahlungsdienstleistern für eine sichere Transaktionsabwicklung sowie die Einbindung spezieller Verkäufer-Backends zur Verwaltung von Produkten und Bestellungen.
Für eine effiziente Datenverarbeitung benötigen Sie Schnittstellen zu den ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) der Handelspartner. Diese ermöglichen den automatisierten Austausch von Bestellungen, Lieferstatus und Rechnungsdaten.
Ein umfassendes Berichtswesen unterstützt Sie bei der Überwachung und Analyse des Marktplatzgeschehens. Über Dashboards und API-Schnittstellen (Application Programming Interface) erhalten Sie Einblick in Transaktionsvolumen, Zahlungsströme und Provisionsabrechnungen. Exportfunktionen ermöglichen die weitere Verarbeitung der Daten in anderen Systemen.
Verkäufer-Management
Die erfolgreiche Einbindung von Verkäufern beginnt mit einem strukturierten Onboarding-Prozess, der durchschnittlich 60 Tage für 100–150 Händler benötigt. Dieser umfasst die Sammlung und Validierung rechtlich erforderlicher Geschäftsunterlagen wie Handelsregisterauszüge, Gesellschafterverträge und Bankverbindungen.
Besonderes Augenmerk gilt der Identitätsprüfung der Geschäftsführung und Eigentümer mit mehr als 25 Prozent Unternehmensanteilen. Eine gründliche Bewertung des Warenangebots und der Geschäftspraktiken stellt die Qualität des Marktplatzes sicher.
Nach der Aufnahme ist ein mehrstufiges Überwachungssystem erforderlich. Je nach bisheriger Geschäftsbeziehung und Risikoeinschätzung werden unterschiedliche Kontrollstufen festgelegt. Spezialisierte Dienstleister können Sie bei der Dokumentenprüfung und laufenden Überwachung unterstützen, um persönliche Ressourcen zu schonen.
Käufer-Erfahrung
Die Benutzerfreundlichkeit für Einkäufer steht im Zentrum eines erfolgreichen B2B-Marktplatzes. Ein mehrsprachiges Interface ermöglicht den Zugriff in die jeweilige Landessprache, wobei Verkäufer ihre Produktbeschreibungen in allen relevanten Sprachen bereitstellen müssen.
Flexible Zahlungsoptionen sind entscheidend für internationale Geschäfte. Neben verschiedenen Zahlungsmethoden wie Banküberweisung, Firmenkreditkarten und Lastschrift benötigen Sie Unterstützung für mehrere Währungen und länderspezifische Versandmethoden. Alle Preise müssen im B2B-Kontext standardmäßig netto ausgewiesen werden.
Für größere Unternehmen sind mehrstufige Freigabeprozesse unverzichtbar. Verschiedene Nutzerrollen ermöglichen die Trennung zwischen Warenkorbzusammenstellung, Bestellfreigabe und Zahlungsabwicklung. Das Kundenkonto muss daher unterschiedliche Berechtigungen, Kostenstellen und Unternehmenseinheiten abbilden können.
Organisatorische Anforderungen
Der erfolgreiche Betrieb eines B2B-Marktplatzes erfordert ein spezialisiertes Team mit sechs Kernfunktionen . Business Developer akquirieren neue Verkäufer, wobei eine Fachkraft durchschnittlich zwei bis fünf Händler pro Monat gewinnen kann.
Account Manager fungiert als zentraler Ansprechpartner für alle administrativen Belange der Verkäufer. Die technische Unterstützung gewährleistet die Integration der Händler-Systeme, insbesondere bei der Anbindung von ERP-Lösungen für automatisierte Bestellprozesse.
Ein professionelles Kundenservice-Team vermittelt bei Fragen und Reklamationen zwischen Käufern und Verkäufern. Product Owner steuern die kontinuierliche Weiterentwicklung der Plattform. Die rechtliche und finanzielle Betreuung benötigt häufig externe Unterstützung durch spezialisierte Anwaltskanzleien, die Expertise im Marktplatzgeschäft mitbringen.